Dachau-Fahrt der 10. Klassen 2015/16

Im Frühjahr 2016 nahmen alle zehnten Klassen am ´Zeitgeschichtlichen Studienprogramm des Jugendgästehauses Dachau` teil. Unser dreitägiger Aufenthalt war geprägt von bewegenden Eindrücken und neuem Wissen. Obwohl der Nationalsozialismus und der Holocaust in der Schule immer wieder thematisiert werden,  haben die meisten Schüler doch bemerkt wie wenig sie eigentlich über bestimmte Dinge wie den normalen Häftlingsalltag wissen.  Sowohl der Besuch des Gedenkstättengeländes als auch das eigene Arbeiten mit verschiedenem Material haben diese Wissenslücken gefüllt und ich denke, ich bin nicht die einzige Schülerin, die nach unserem Aufenthalt alles weiß, was sie wissen sollte.

Begonnen hat unsere Zeitreise erstmal mit einer Aufteilung, bei der alle Schüler zwischen drei verschiedenen Gruppen wählen konnten: Gruppe 1 war „Fotographie“, in Gruppe 2 wurden „Häftlingsschicksale“ behandelt und Gruppe 3 hat sich mit dem „Rechtsextremismus“ heute und damals beschäftigt. Während des Aufenthalts haben wir uns nur innerhalb dieser Gruppen bewegt, ausgenommen der Essens-, Schlaf- und Freizeit. Ich fand es gut, dass wir durch diese Aufteilung in Gruppen von ungefähr 11 Personen aufgeteilt wurden, da man so viel besser auf die Meinungen und Arbeitsergebnisse der anderen eingehen konnte. Jede Gruppe war einem engagiertem Gruppenleiter zugewiesen, der uns durch diese Tage begleitet hat und der interessante Seminare abgehalten hat.

Der erste Tag sah in allen Gruppen gleich aus: Bis zum Mittagessen war unserer erstes Seminar, das zur Vorstellung untereinander und Begriffserklärung „Was genau ist ein Konzentrationslager“ gedient hat. Unser/e Gruppenleiter/in hat uns anschließend auf dem Gedenkstättengelände herumgeführt. Manche Schüler haben des Krematorium besichtigt, dafür andere die verschiedenen Kirchen, aber spätestens am nächsten Vormittag hatte jeder Schüler alles gesehen. Unsere Gruppenleiter haben uns vieles erklärt und sind freundlich auf unsere vielen Fragen eingegangen. Trotz dieser freundschaftlichen Atmosphäre hat man schnell bemerkt wie (im negativen Sinne) überwältigend dieser Ort ist. Manche Schüler schienen sehr verloren auf dem großen Appellplatz, manche konnten ihre Tränen im Waschraum nicht zurückhalten, und andere trugen all das mit Fassung. Jeder von uns war irgendwie auf eine andere Weise berührt, doch unsere Gruppenleiter haben uns immer wieder erklärt, dass es nicht wichtig ist, ob diese Geschichte einen zum Weinen bringt  – sondern dass sie einen bewegt, damit das alles nie mehr vorkommen wird. In der anschließenden Nachbereitung hatte jeder Schüler die Möglichkeit über seine Gedanken zu sprechen. Der nächste Vormittag hat noch einmal an diese Führung angeknüpft und nachmittags hatten wir unsere Hauptseminare.

Die Schüler der ersten Gruppe durften mit ihren Handy- oder Digitalkameras ausgestattet auf dem Gedenkstättengelände Dinge fotografieren, die ihnen wichtig erschienen und die ihre Eindrücke der Gedenkstätte wiedergeben. Nachdem sie dafür ausreichend Zeit bekommen hatten, wurden die Bilder anschließend  in Plenum bewertet und die besten Fotos kann man sogar auf Instagram sehen (MMSZ_Dachau). Jeder Schüler der Gruppe „Häftlingsschicksale“ durfte sich eine spezielle Person aussuchen, zu deren Lebensgeschichte er verschiedenes Material bekommen hat und damit gearbeitet hat. Unteranderem sollte man bestimmte Orte im KZ herausarbeiten, die für den Häftling von Bedeutung waren und seinen Mitschülern bei einem abschließenden Rundgang in der Gedenkstätte diese Orte zeigen und von dem Häftling erzählen. Während des dritten Seminars haben die Schüler einerseits gelernt wie facettenreich der Begriff „Rechtsextremismus“ ist und mussten entscheiden ob ihnen vorgelegte aktuelle Zitate schon rechtsextremistisch sind oder noch in einer Grauzone. Andererseits haben sich die Schüler selbstständig erarbeitet, welche Erkennungszeichen wie Kleidermarken oder welche Kürzel Nazis noch heute verwenden. Diese extrem interessanten Seminare, über die man nur Lob von Seiten der Schüler gehört hat, waren der Abschluss eines produktiven zweiten Tages.

Unser dritter und auch letzter Tag wurde Abba Naor gewidmet, einem der wenigen Überlebenden des Holocaust. Das zweistündige Zeitzeugengespräch war sehr ergreifend und viele Schüler konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Es war total interessant, einem Menschen zuzuhören, der wirklich dabei war. Allerdings war es war es genauso interessant wie schrecklich. Abba Naor ist ein so lebensfreudiger, freundlicher Mann, der auch öfter Scherze gemacht hat - und so einen netten älteren Herren über diese qualvolle Zeit reden zu hören ist schmerzhaft. Da bekommt dieser ganze theoretische Stoff der letzten Jahre eine Realität, die einem Angst macht. Für mich persönlich war es ganz besonders schlimm, ihn von seinen Geschwistern erzählen zu hören: Als Abba Naor dreizehn Jahre alt war, wurde sein 15-jähriger Bruder erschossen und seinen zwei-jährigen Bruder hat er zum letzten Mal am Arm seiner Mutter gesehen, bevor die beiden vergast wurden. So eine Erzählung prägt sich schnell in die Köpfe von 15- und 16-jährigen. Doch wahrscheinlich ist das auch ganz gut so, damit so etwas Schreckliches nie wieder passiert.

Nach diesen drei bewegenden Tagen, war ich wirklich froh erst einmal ein Wochenende lang abzuschalten und das Erlebte verarbeiten zu können. Das Studienprogramm hat es uns ermöglicht die Geschichte des Nationalsozialismus außerhalb der Schule zu vertiefen und ich bin sicher, dass jeder einzelne Schüler an diesen Tagen gewachsen ist. Jedem von uns hat sich ein anderes Bild von der Gedenkstätte eingeprägt und doch ist der gleiche Zweck erfüllt: Wir haben gelernt, dass so etwas nie wieder vorkommen darf.

(Anna Rätscher)